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Kurzfristige AKW-Laufzeitverlängerung möglich?

Das Thema "Laufzeitverlängerung" wird immer wieder diskutiert. Letztes Jahr im Zusammenhang mit Klimaschutz (siehe Blog-Eintrag vom August 2021), jetzt im Kontext der Energie-Krise ausgelöst durch den Ukraine-Russland-Krieg.

 

Auf politischer Ebene und in den Medien werden die üblichen Argumente ausgetauscht: Risiko eines Unfalls versus Versorgungssicherheit etc. Dieser Diskussion schließe ich mich nicht an. Dazu wurde alles gesagt. Daher betrachte ich ausschließlich die technische Seite:

 

Aktuell laufen in Deutschland noch 3 Kernkraftwerke planmäßig bis Ende 2022: Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2. Die 3 Anlagen in Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen wurden Ende 2021 abgeschaltet und könnten theoretisch wieder in Betrieb genommen werden. In allen anderen Kernkraftwerken ist der Rückbau bereits weit fortgeschritten, so dass eine Inbetriebnahme ausgeschlossen ist. Zum Beispiel wurden im Kernkraftwerk Philippsburg bereits die Kühltürme gesprengt.

 

Der Zeitplan für die Abschaltung der letzten Anlagen im Jahr 2022 wurde nach dem Atomunfall von Fukushima 2011 von der damaligen Bundesregierung beschlossen. Seit 10 Jahren planen die Kraftwerksbetreiber daher mit diesem Zeitplan.

 

Eine Laufzeitverlängerung wäre daher mit enormen Kosten und Aufwand verbunden: Wie jede Privatperson mit einem Auto, dessen Verschrottung ansteht, haben auch die Kraftwerksbetreiber nur noch das absolut notwendige an Instandhaltungsarbeiten gemacht und nur so viel Brennstoff eingekauft, dass es genau bis zum Laufzeitende ausreicht. Daher müsste bei einer Laufzeitverlängerung der Reaktor mit frischen Brennelementen versorgt werden. Das klingt einfach, ist aber wesentlich komplizierter als bei einem Kohle- oder Gaskraftwerk.

 

Stark vereinfacht erklärt: Die Leistungsverteilung über den Reaktor ist nicht gleichmäßig. In der Mitte des Reaktorkerns sind mehr Neutronen als am Rand. Daher können im Zentrum mehr Uran-Atome gespalten werden. Damit es keine lokalen Überhitzungen gibt, wird jedes Brennelement individuell berechnet und optimiert. Für jeden Brennelementwechsel gibt es einen Beladeplan. Jedes Brennelement wird an einen genau bestimmten Platz im Reaktor platziert. Dabei wird nur ein Teil der Brennelemente durch neue ersetzt. Die restlichen Elemente werden im Reaktor nur neu angeordnet. Man kann auch nicht einfach den Beladeplan vom letzten Brennelementwechsel verwenden, weil sich alle Brennelemente durch die Kernspaltung verändert haben.

 

Was würde passieren, wenn die Beladung schlecht verteilt werden würde? Dann kann es zu lokalen Leistungsspitzen kommen, die die Brennelemente beschädigen würden. Theoretisch wäre sogar eine lokale Kernschmelze möglich, was aber durch automatische Notabschaltungen verhindert werden würde. Aber natürlich kann man unter solchen instabilen Bedingungen keinen Strom produzieren!

 

Für die Auslegung und den Bau neuer Brennelemente sind mindestens 6 Monate notwendig. Vorausgesetzt, es gibt genügend Personal. Und damit sind wir beim vielleicht größten Problem: Die Personalplanung der Kraftwerksbetreiber, aber auch aller Zulieferer inkl. der Aufsichtsbehörden, war auf ein Laufzeitende im Jahr 2022 ausgelegt. Mitarbeiter, die in der Vergangenheit mit diesem Thema beschäftigt waren, sind in Rente oder haben andere Aufgaben. Das waren hoch qualifizierte Spezialisten mit mehrjähriger Ausbildung. Vielleicht kann man einzelne Rentner kurzfristig "reaktivieren". Aber ich glaube nicht, dass genügend Experten gefunden werden können.

 

Die ganze politische Diskussion ist also eine "Phantom-Debatte". Einzelne Politiker wollen sich profilieren, aber eine Laufzeitverlängerung ist keine kurzfristige Lösung des Energie- bzw. Gas-Problems.

Brennelemente Siedewasserreaktor
Symbolbild. Modelle von "frischen" Brennelementen im Besucherzentrum des schweizerischen KKW Leibstadt. Das Kernkraftwerk Leibstadt ist ein Siedewasserreaktor. In Deutschland sind nur noch Druckwasserreaktoren in Betrieb.
Druckstoß Andreas Ismaier

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Letzte Aktualisierung:

27.12.2023